Shyam Benegal, einem der Väter des indischen Parallel Cinema,
wirkt an fremden Elementen hinein, gelingt mit "Zubeidaa" die Erfüllung
und die raffinierte Subversion der Form "Bollywood" zugleich. Er arbeitet
mit vertrauten Motiven, aber innerhalb einer schmaleren Amplitude der
Gefühle und er wirkt Geschlechterpolitik ebenso hinein wie
Religionskonflikte und allgemeine Politik. Selten lässt er dem Song
& Dance Auslauf, einmal vor allem, ein Liebesgesang in den Bergen, der
von atemberaubenden Blicken und Karishma Kapoors Charme lebt, weniger vom
Flug der Kamera. Überhaupt ist Benegal offenkundig ein wenig unsicher,
was die Bewegung der Kamera angeht. Er übt sich in Zurückhaltung
und in die Form Bollywood, die der Film so offenkundig sucht, übersetzt
sich das als durchaus charmante Unbeholfenheit. Ein Fremder, der die Sprache
sehr gut spricht, nur gelegentlich nach dem passenden Wort sucht.
Die Geschichte dreht dem Betrachter sehr geschickt das Aschenputtel-Motiv
im Herzen um. Die Zeit: Die 50er Jahre. Zubeidaa ist eine junge Frau, die
von ihrem Vater gegen Widerstand, der nicht nützt, verheiratet wird.
Das gibt eine der herzzerreißendsten Szenen, die A.R. Rahmans sehr
schöne, sehr süßliche Hochzeitsmusik gegen die Bitterkeit
ausspielt, die im Zwang steckt und dem Stolz der Tochter, den der Vater bricht
und auch nicht. Benegal jagt, nicht nur hier, Ambivalenz ins Geschehen, wo
es in der Konvention eher die Abfolge von Überschwang und Melodram gibt.
Es gerät so immer wieder eine Ironie in die Bilder, in die Musik, die
hier nicht jubilatorisch illustrieren, sondern gezielt konterkarieren. Der
Vater wird ihr den Mann wieder nehmen, weil der nach Pakistan will, wo er
herkommt. Moslemin ist auch Zubeidaa, in den abgespaltenen Bruderstaat aber
lassen die Eltern sie nicht ziehen. Darauf das Aschenputtel-Kapitel, die
zweite Hälfte des Films. Zubeidaa lernt Victor kennen, der Polo spielt
und nicht nur Hindu, sondern auch ein Maharadscha ist. Er verliebt sich,
er wirbt um sie, er heiratet sie. Ihre Eltern machen zur Bedingung, dass
sie den Sohn behalten. Das Land, der Palast: ein Traum. Schon da: die erste
Frau des Maharadscha. Zubeidaa ist die Junior Queen, nicht mehr, die Nacht
verbringt Victor nicht bei ihr. Die Welt des Traums, das zeigt sich schnell,
ist gepflastert mit Regeln des Hofzeremoniells, gegen die nicht anzukommen
ist.
Benegal erzählt das alles in einer Art Citizen-Kane-
Gedächtnisanordnung, was einerseits etwas umständlich ist. Zubeidaas
Sohn, nun etwas mehr als dreißig Jahre alt (es ist ca. 1980), macht
sich auf die Suche nach seiner Mutter. Dass sie gestorben ist, als er klein
war, das sehen wir in den Eröffnungsbildern, die Beerdigung. Der Palast
des Maharadscha ist jetzt ein Luxushotel, von Zubeidaa wollen auch die, die
sie kannten, nichts mehr wissen. Nur ihre Konkurrentin von einst, die erste
Frau des Mahardscha, erinnert sich freundlich, schenkt dem Sohn alte Bilder.
Zugleich aber schenkt der Rahmen dem Film einen schönen Vergeblichkeitston.
Die Recherche führt im übrigen schnell ins Bollywood-Studiomilieu,
da Zubeidaa für einen Moment eine Karriere im Film offen zu stehen schien.
Der McGuffin, das Rosebud des Films, ist die Suche nach einer Filmspule,
auf der Zubeidaa zu sehen ist, tanzend. In den letzten Bildern der
wiedergefundenen Zeit gelingt die melancholische Versöhnung, des
Independent-Filmers Benegal auch mit der Industrie. "Zubeidaa" ist Aneignung
einer Form im besten Sinn: ehrlich, kritisch, voller eigensinnigem Beharren
auf Ambivalenzen und politischen Motiven, die Bollywood sonst fremd sind.
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