Raj Kapoor: Awaara (1951)
Ausbuchstabiert wird die Liebe zwischen Rita und Raj in den Musikeinlagen,
von Arrangements, in denen Tänzerinnen als ornamentale Masse in Erscheinung
treten, bis zur Zweisamkeit: auf einem Boot im Angesicht des Mondes (ja,
ein weiteres Angesicht: einer blickt - und sei es eingebildet - fast immer,
als wäre alles Soziale ein Benthamsches Gefängnis), der, im Gesang,
gebeten wird, für einen Moment wegzusehen.
Sangam (Raj Kapoor, Indien 1964)
Mehrmals schneidet die Kamera auf Großaufnahmen beider Gesichter,
überblendet sie mit Szenen des Vorangegangenen: ein Resümee,
Zwischenbilanz vor dem schlimmen Ende. Dies arrangiert alle Beteiligten aus
der Halbdistanz im Zimmer, verschiebt die Figuren gegeneinander, zum
glücklichen Dreierbund aber wollen sie sich nicht fügen. Hier
kulminiert Sangam zum Melodrama von hoher Wucht und beinahe erleichtert
konstatiert der Betrachter den schließlichen Umschlag vom Schrecken
ohne Ende zum Ende mit Schrecken. Das verbleibende Paar streut, nach dem
Tod des Geliebten und Freundes, Blumen aufs Wasser.
Buster Keaton: Battling Butler
(USA 1926)
Der schönste Moment des Films das Schlussbild: Alfred Butler, halb noch
Boxer mit freiem Oberkörper, halb alter Adam mit Zylinder und Gehstock,
Arm in Arm mit seiner Frau auf den Straßen der Großstadt. Stolz
zurückgewonnene Weltfremdheit, kein anderer Blick mehr interessiert
ihn als der der Frau, auf dem Weg zurück zur zweiten Natur, zu der ihm
die Überfeinerung der Zivilisation geworden ist.
Mehboob Khan: Mother India (Bharat
Mata, Indien 1957)
Als Rebell und Brigantenführer stellt Birju sich gegen die Dorfgemeinschaft
und droht mit der Entführung von Sukhilalas Tochter ehernen Gesetzt
zu verletzen. Darauf wird an ihm ein Exempel statuiert, wie es drastischer
nicht zu denken ist: die Mutter erschießt, im Namen der Gesetze der
Gemeinschaft, ihren Sohn. Wie sehr der Film das gutheißt, zeigt er
am narrativen Denkmal, das Radha, der Mother India, gesetzt wird, in einem
Rahmen, der die Geschichte umschließt, die greise Mutter, inzwischen
erblindet, gibt dem jüngsten Triumph des Fortschritts ihren Segen: sie
weiht einen Damm zur Bewässerung der Felder ein.
Raj Khosla: "Meera Saaya" (Indien
1966)
Die Pointe der Konstruktion ist gerade, dass jenseits dieser "künstlichen"
Ebenenunterscheidungen alles durcheinander geht. Die Tote lebt. Der Mann
wünscht sich ihren Tod und ihr Leben. Er zweifelt und zweifelt am Zweifel.
Er erkennt und verkennt sich und seine Liebe und die Frau. Darum ist das
Ende abrupte Reduktion aus Rücksicht auf Plot. Wir sollten diesem Ende
vielleicht einfach nicht glauben. Wir sollten weiter wünschend zweifeln,
zweifelnd wünschen, unsinnig fantasieren, trauernd verharren, erinnernd
genießen. Schatten und Schleier im Bild lassen.
Krzysztof
Kieslowski: Der Zufall möglicherweise (PL 1981)
Der Film simuliert ein Experiment und alles ist unter Kontrolle. Wie eigentlich
stets bei Kieslowski gibt es in der Textur von Bild und Ton keinen Freiraum,
gibt es keine Lücke, durch die der Teufel einer wie auch immer zu
begreifenden Wirklichkeit käme. Film ist für Kieslowski morality
play, philosophisch-theologischer Traktat, der in Narration umgesetzt
wird.
Fritz Lang: Gehetzt (1937)
"In Gehetzt treffen bedingungsloses Vertrauen und
böswilligstes Schicksal so rettungslos und fatal aufeinander, als wäre
es ein Stück von Kleist. Die Tragik des Films, die nur selten jenen
Schein von Notwendigkeit besitzt, der sie erst zu Tragik im anspruchsvollen
Sinne machen würde, besteht im Prinzip des unglücklichsten
Aufeinandertreffens (und Sich-Verfehlens) von Zeit, Personen, Umständen."
weiter
Fritz Lang: Gefährliche
Begegnung
Bei aller Spannung und bei aller Raffinesse, mit der hier ein amerikanischer
Professor Unrat auf Abwege geführt wird, die (soll man sagen: beinahe)
seinen Untergang herbeiführen - das letzte Quentchen Ernst und Konsequenz
fehlt dem Film. Er hat Lust daran, dem Publikum die (in anderen Fritz-Lang-Filmen
gerne gnadenlos zum Einsatz gebrachten) Folterwerkzeuge zu zeigen: einen
sympathischen Helden auf dem Weg in sein Unglück, seine
verhängnisvollen Fehler, ausweglose Verstrickung - um dann immer wieder
unmotivierte Auflösungen in Wohlgefallen des Wegs kommen zu lassen.
Albert
Lewin: Pandora and the Flying Dutchman (GB 1951)
Ein verwickeltes Verhältnis. Albert Lewin aber wickelt und wickelt,
das eine ins andere, der Dialog entwirft mögliche Szenarien des
Verhältnisses des Mythos zur Wirklichkeit, ironische, pathetische, solche
der Auflösung und solche des Widerstreits. Es scheint, als sollten hier
Verhältnisse auf den Nenner, aufs Bild, auf die gültige Darstellung
gebracht werden. Diese Versuche zur Konzentration aber misslingen in
schöner Regelmäßigkeit.
Joseph H. Lewis: Terror in
a Texas Town (USA 1959)
Terror in a Texas Town ist dabei, über weite Strecken, ein Film
mit Western-Struktur und Noir-Atmosphäre. Die Auseinandersetzungen gewinnen
ihre Intensität nicht durch Action, sondern durch Figurenkonstellation
und Langsamkeit. Lewis modelliert den Raum als Ausdruck von Spannungen.
Sorgfältig arrangiert er Vorder- und Hintergründe, die Kamera,
oft unbewegt, umso aussagekräftiger in der Bewegung, gibt dem Raum den
Rahmen. Der Blick ist konzentriert, nichts Zufälliges scheint Platz
zu haben in den Bildern.
Carlo Lizzani: Requiescant (Italien
1968)
Nicht im ganzen, aber in einzelnen Szenen, verdichtet sich die Handlung ins
Emblematische, die Faszination liegt gerade darin, dass zusammengebracht
wird, was nicht zusammenpasst: Italo-Western-Sadismus, marxistische Agenda,
Religion und Horrorfilm.
Barbara Loden: Wanda (USA 1971)
Wanda, die Titelheldin, ist, sollte man vielleicht genauer sagen, nicht nur
ziel-, sie ist überhaupt antriebs- und steuerlos. Sie schläft zu
Beginn, eigentlich erwacht sie nie. Die Bewegung ist ein Treiben, ein Geraten,
sie ist, mit einem Wort, ganz und gar infinitivisch. Eine Reihung ohne Ziel,
ein Driften ohne Steuer, beendbar nur als ein Stoppen, kein Abschließen,
im freeze frame.
Peter Lorre: Der Verlorene (D
1951)
Mit was für einer Geschichte haben wir es hier eigentlich zu tun, das
ist die erste Frage. Dass sie bis zum Ende so recht nicht zu beantworten
ist, macht eine der irritierenden Qualitäten des Films aus. Worauf er
hinaus will, ist ihm nicht klar, wird es auch dem Betrachter nicht, aber
genau so sperrt er sich der Botschaft, der klaren Zuteilung von Sinn, der
Einordnung ins Genre, in die Geschichte, auch die des Kinos.
Joseph Losey: Blind
Date (GB 1958)
Kritik von Ekkehard Knörer
Der Rest ist Dekor. Losey aber lehrt einen, den Dekor als Tiefe zu nehmen
und alle Psychologie und allen Plot als Oberfläche. Die Dialoge nichts
als Rauschen der Klischees; interessanterweise versendet sich die marxistische
Botschaft ebenso wie all das Unsägliche, das hier über Kunst gesagt
wird; verblüffend nur: die Werke des Malers sind gar nicht schlecht,
wahrscheinlich genau deshalb, weil sie das bleiben, was Losey interessiert:
Dekor.
Joseph Losey: Accident - Zwischenfall
in Oxford (GB 1967)
Accident ist dieser ganz und gar vollendete, makellose Film geworden,
den Losey sich vorgenommen hat. Kaum ein anderes Werk der Filmgeschichte
zeugt von einer derart entschiedenen, bis ins Kleinste gehenden Kontrolle
des Regisseurs über jedes Detail seines Films, einer Bewusstheit auf
den Millimeter der Einstellung, des Art Designs, der Kamerabewegung, des
Schnitts, der Schauspielerführung und des Musikeinsatzes.
Ernst Lubitsch: The Marriage
Circle (USA 1924)
Jede Nuance der Menschenbeobachtung sitzt, Knoten werden mit leichter Hand
geschürzt und wieder gelöst, die Bewegungen aller Beteiligten sind
- ohne dass man den Zugriff des Marionettenspielers spürte - bestens
aufeinander abgestimmt. Es ist, wie gesagt, im Grunde ein wunderbares Ballett.
Dusan Makawejew: The
Switchboard Operator (Ljubavni slucaj ili tragedija sluzbenice P.T.T. ,
Jugoslawien 1967)
Izabels Scheitern wird nicht als tragisch beschrieben, Schuld wird nicht
verhandelt, jedenfalls nicht als moralische oder gesellschaftliche Kategorie
- eher schon scheinen ein Prinzip der befreiten Sexualität, Izabel,
strahlend blond, und ein Prinzip des Todes gegeneinander zu stehen: Ahmed,
der die Ratten tötet und dann Izabel; türkischer Herkunft, ein
Fremder auch er in der Gesellschaft. Die Geschichte schließt sich am
Ende zum Ganzen, der Film aber bleibt in vieler Hinsicht opak.
Chris Marker: Le joli Mai (Der schöne
Mai, F 1962)
Nicht weniger als ein Porträt der Stadt Paris im Mai 1962 hat Chris
Marker im Sinn; er zeichnet es in Bildern, Texten und Gesprächen. Im
Unterschied zu den späteren essayistischen Filmen, in denen Markers
eigene Texte und die Bilder gezielt in prekäre Verhältnisse
treten, "schreibt" er in "Le joli Mai" noch zu großen Teilen mit "der
Wirklichkeit", als komponierender Dokumentarist, als Arrangeur der Bilder
und der Worte von Menschen, die er im Mai 1962 in Paris gesucht, gefunden,
getroffen hat.
Chris
Marker, Gruppe Medvedkin: Die Arbeiter in der Fabrik (F
1969)
Den Kommentar aber, den im Original Marker spricht - nüchtern, sehr
viel nüchterner als ich Marker-Kommentare bisher kannte -, diesen Kommentar
kommentiert im NDR-Studio noch einmal Christian Geissler, vom Blatt lesend,
das eine Bein über das andere geschlagen, links neben sich eine Tafel,
auf der zu lesen ist, dass der Film keine Magie sei, sondern eine Technik
und als solche ein Mittel, das jeder in die Hand nehmen kann, zum Zweck der
Darstellung der Verhältnisse, in denen er lebt.
Alexander Medwedkin: Glück (Schastye
1934)
Die Welt des Films ist verschoben, weg von der sozialistischen Realität,
die Medwedkin in den Jahren 1932-1934 mit seinem fahrenden Filmzug einzufangen
bemüht war. Hier ist die Wirklichkeit transformiert in eine Groteske,
in der zur Wiedererkennbarkeit verzerrte Karikaturen der
(prä)bolschewistischen Zeit im Slapstick-Tempo durch Berge und Täler
einer Fantasielandschaft jagen.
Leo McCarey: The Awful Truth (USA
1937)
Ein Wagen geht über die Böschung, die Gesellschaft hat ausgespielt,
der Geschlechterkampf, der keiner ist, wird in der letzten Runde in die sublimen
Höhen eines Nonsens-Dialogs um Gleichheit und Differenz geführt.
Ein Film, den man auch über die Uhren und Fahrstuhlanzeiger erzählen
könnte. Willkürliche Setzung der Zeit, Parodie nur noch jeder Idee
von Regulation. Der Countdown auf ein fulminantes Ende zu, die schönste,
weil auch absurdeste Metapher für Sex, die die Hollywood-Geschichte
kennt, als Schlussbild.
Jean-Pierre Melville:
Die Millionen eines Gehetzten (I/F 1962)
Die Fahrt kommt in der Nähe von New Orleans an ihr Ende, nicht das
Gegeneinander von Innen- und Außenräumen. Im Inneren bewegen sich
die Figuren vor klaren, popartbunten Farbflächen, eingefangen werden
sie in künstlichen Arrangements, symmetrisiert durch Lampen,
Blumensträuße, die zwischen sie platziert werden. Die
Farbkompositionen beharren vom ersten Bild an auf der Verweigerung jeden
Realismus, die Welt der Figuren ist eine Melvillewelt. |
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Lewis Milestone: The
Strange Love of Martha Ivers (USA 1946)
In geradezu unverschämter Manier präsentiert der Film Geld und
Macht als Produkte von Mord und Korruption, das erfolgreiche Paar als
sado-masochistische Zwangs- gemeinschaft neurotischer Verbrecher. Als positives
Gegenbild figurieren ein ehrlicher Spieler und eine aufrichtige Diebin, am
Ende steht, genau innerhalb dieser Matrix, die Wiederherstellung der (allerdings
reichlich verqueren) moralischen Ordnung.
Kenji
Mizoguchi: Prinzessin Yang Kwei Fei (Japan 1955)
Die Liebe und die Politik, das Reine im Unreinen. Das ist das Thema. Eine
Cinderella-Version, aber das Märchen geht weiter, nach dem Ende, und
ist kein Märchen mehr.
F.W. Murnau
Schloss Vogelöd (D
1922)
Der Schrecken dringt von außen und von innen. Auch aus der Vergangenheit:
eine Beichte beginnt, der Film gibt dem Vergangenen Bilder als Rückblende,
bricht sie bald ab, berichtet von der seltsamen Konversion eines Ehemanns,
erklärt wird sie nicht, plausibel wird sie nicht, merkwürdig licht
sind die Bilder.
Faust
Wunderbare Trickbilder sind es, die Murnau findet, aus dem Geiste Meliès',
aber erhaben sind sie nicht. Statt Unermesslichkeit nur Pappmaché
im Bild.
Tartüff
Um fast nichts anderes geht es in Tartüff als um Blicke. Entlarvung
im Off der Beteiligten. Die Haushälterin und ihr diebisches Lachen,
sobald der Großvater anderswohin sieht. Rechts und links gekascht der
erste verstohlene Blick durch eine Tür, der Enkel beobachtet die
Haushälterin, wie sie Gift ins Glas mischt. Dadurch präfiguriert:
die Entdeckungsszene des Films im Film, inszeniert recht eigentlich als Film
im Film im Film.
Tabu
Das Paradies hat einen Körper in geschwindester Bewegung. Der Körper
ist die Insel, auf der, zu Lande und zu Wasser wie ungeschieden die Männer
und die Frauen zuhause sind. Aus dem Körper lösen sich exemplarische
Einzelkörper, die eins sind miteinander und viele, Matahi, der strahlend
auf dem Fels steht im Meer oder im Wasser schwimmt auf der Insel.
Max Ophüls: Gefangen (Caught, USA
1949)
Man fällt nicht nach oben als mittellose Person aus der Provinz, das
steht fest. Man erarbeitet sich diesen Aufstieg. Man kratzt Cent für
Cent seine dürftige Einkünfte zusammen und besucht die "Schule
des Charmes", in der man sich zu benehmen lernt in besserer Gesellschaft.
Es gehört dazu, neben dem Erwartbaren, auch: die richtige Art, Musik
zu hören. In der "Schule des Charmes" wird die zukünftige Ehefrau
für die Muße, die nach erfolgtem Aufstieg auf hohem Niveau ansteht,
gedrillt.
Lola Montes (Max Ophüls,
F 1955)
Rezension von Ekkehard Knörer
Tatsächlich, könnte man sagen, geht es in Lola Montes um
genau dieses Verhältnis zwischen Freiheit und Begrenzung. Und unschwer
ist so die dialektische Form als Entsprechung von Lola Montes' Leben zwischen
den Freiheiten, die sie sich herausnimmt und den Konventionen, von denen
sie eingeholt wird, lesbar.
Nagisa Oshima: Im Reich der
Sinne
Thema und Darstellung sind in Im Reich der Sinne eins. Es gibt keine
Indirektheiten, Andeutungen, keine Metaphern und Symbole. Alle Aktion, jeder
Blick ist direkt, alles steht für das, was es ist. Die Repräsentation
ist ganz und gar flächig. In dieser Hinsicht wiederholt der Film in
der Form die Obsession seiner Figuren.
Nagisa Oshima: Merry
Christmas, Mr. Lawrence (Japan 1982)
David Bowie ist diese Singularität, wie ein Mann, der vom Himmel fiel.
Ein Darsteller, an dem instantan alles zum Fetisch werden kann: das strahlend
blonde Haar, das markante Gesicht, die Art, wie er steht, die Art, wie er
singt, die Art, wie er Blumen isst, die Art, wie er fasziniert, die Art,
wie er abstößt und noch die Art, wie er sterbenskrank darnieder
liegt. Der Star, der kein Schauspieler ist, kommt hier zum Einsatz nicht
als Ikone und nicht als Fetisch, sondern wird nochmals, wie von Grund auf,
fetischisiert.
Ozu-Retrospektive im Berliner
Arsenal
Kommentare von Ekkehard Knörer
Texte zu folgenden Ozu-Filmen:
An Autumn Afternoon (1962)
End of Summer (1961)
Floating Weeds (1959)
Equinox Flower (1958)
Early Spring (1956)
Tokyo Story (1953)
Flavour of GreenTea Over Rice (1952)
Early Summer (1951)
Late Spring (1949)
A Hen in the Wind (1948)
Brothers and Sisters of the Toda Family
(1941)
The Only Son (1936)
A Story
of Floating Weeds (1934)
A Mother Should be Loved (1934)
The Woman of Tokyo (1933)
Dragnet Girl (1932)
Where Now Are My Dreams of Youth? (1932)
Ich wurde geboren, aber... (1932)
That Night's Wife (1930)
I flunked, but... (1930)
Walk Cheerfully (1930)
Days of Youth (1929)
Georg Wilhelm Pabst: Geheimnisse
einer Seele (D 1926)
Pabsts Umsetzung dieses einfachen Falles ist beeindruckend: gerade in der
Verbindung von im Stil der Neuen Sachlichkeit gehaltenen Alltagsszenen und
somnambul-expressionistischen Traumsequenzen gelingt es ihm, die groben Klischees
dieser Fallgeschichte zum Ganzen eines Spielfilms zu verknüpfen. Die
Tricks sind fabelhaft, die gefundenen Traum-Bilder sehr eindrücklich.
Die Inszenierung ist elegant und intelligent, das Können Pabsts liegt
in der Montage, die auf Symbolik gerade verzichtet und die Symbole so zur
Geschichte verflüssigt und plausibilisiert.
G.W.
Pabst: Die Büchse der Pandora (D 1929)
Jack the Ripper ist der deus ex machina als Radikalisierung der
Liebe/Hass- Verschränkungen, die Lulu auf sich ziehen muss. An ihm treten
idealisierende Sehnsucht und von allen psychologischen Beweggründen
gelöster Zerstörungsdrang pathologisch auseinander. Sein Blick
trifft Lulus nicht - fällt auf eine andere Licht-Reflexion, das
gleißende Messer im Dunklen. Eine Auslöschung und Jack the Ripper
kehrt zurück in den Schatten des Londoner Nebels und seiner historischen
Anonymität.
Sam Peckinpah: The Wild Bunch
(1969)
"Getötet wird viel in The Wild Bunch, der Film beginnt und endet mit
Schlachtfesten, die in die Filmgeschiche eingegangen sind. Am Anfang
schießen sich die Männer um Pike ihren Weg frei, am Ende finden
sie auch im grausigen Blutbad weder Freiheit noch Erlösung. Zwei Helden
präsentiert der Film und zerlegt sie gnadenlos: Pike wie Thornton nehmen
sehr genau die strukturelle Position im Western ein, die einst die Helden
ausmachte, sie sind kompromisslos, intelligent, mutig. Dennoch: beider Situation
ist von Beginn an rettungslos moralisch korrumpiert, beide lassen, ohne mit
der Wimper zu zucken, Unschuldige sterben. Vor allem: der Film schlägt
sich auf die Seite weder des einen noch des anderen, verschweigt, ostentativ,
demonstrativ, nicht die dunklen Seiten. "
Die Tote von Beverly
Hills
"Ein wirkliches Ereignis ist Heidelinde Weis, die mit dieser
Rolle eigentlich zum Star hätte werden müssen. Stattdessen gelangte
sie auf dem Traumschiff zu Fernsehruhm. Auch das weitere Schicksal
Klausjürgen Wussows ist bekannt. Traurigeres über den deutschen
Film und sein Publikum lässt sich kaum sagen."
Maurice Pialat
L'Enfance nue
1969
Nous ne vieillirons pas ensemble
1972
Passe ton bac d'abord
1979
Loulou
1980
A nos amours
1983
Michael Powell & Emeric
Pressburger: Irrtum im Jenseits (GB 1946)
Man kann es nicht aufzählen, zu reich ist der Film an so entzückenden
wie kauzigen Details. Es genüge zu sagen (dass man es gesehen haben
muss, versteht sich von selbst): auf einer großen Treppe bewegt sich
die Himmelskongregation auf den Operationssaal zu, die Farbe fließt
von hier nach da und omnia vincit amor.
I Know Where
I'm Going (Powell/Pressburger, 1945)
Keinen Moment fällt der Film ins Sentiment. Und nie entflattert sein
Sinn in reinen Scherz. Anrührend ein Fest mit Tanz und Gesang zur
diamantenen Hochzeit eines alten Dieners. Bös satirisch das Porträt
der besseren Gesellschaft. Wild dramatisch die beinah tödlich endende
Überfahrt bei rauher See. Und in den Jubel des Happy Ends mischen sich
hoch komisch drei Dudelsackpfeifer beinahe aus dem Nichts. Eins nur kann
man mit Sicherheit sagen: Ein Film wie kein anderer.
Michael Powell:
The Spy in Black (GB 1939)
Als er landet, auf Hoy, mit dem Motorrad, das aus dem U-Boot kommt, begegnet
er erst einem Schaf. Das blökt. Er blökt zurück. Das ist der
Powell/Pressburger-Touch. Sie sehen das Skurrile in jedem Stoff und der Stoff
wehrt sich in der Regel nicht, dann jedenfalls, wenn sie es nicht
übertreiben. Und manchmal sind sie sehr subtil: Etwa wenn Powell einmal
von den betenden Händen eines Priesters auf die gefesselten Hände
eines anderen Priesters schneidet, eine Ähnlichkeitsmontage, deren Witz
im Kontrast liegt.
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