Filmkritik: Benoit Jacquot: A tout de suite (F 2004)

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Benoit Jacquot: A tout de suite (F 2004)

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Benoit Jacquot: A tout de suite (F 2004)
Kritik von Ekkehard Knörer

 

"A tout de suite" ist ein Film über das Gesicht von Isild Le Besco. Isild Le Besco ist die Schauspielerin, gerade 22 Jahre alt, die als Regisseurin den wunderbaren Film "Demi Tarif" gedreht hat. Benoit Jacquot lässt die Handkamera im Schwarz-Weiß seines Historienfilms (es war der Frühling des Jahres 1975, sagt die Stimme von Isild Le Besco) in Großaufnahmen ihr Gesicht suchen, immer wieder, insistent, und umso insistenter, je mehr es sich verschließt, je weniger darin die Verzweiflung zu lesen ist, in die hinein das Leben von Lili mündet, nach dem Glück, das sie gefunden zu haben glaubte, nach dem Traum von einer Liebe, die am Flughafen von Athen endet, so beiläufig wie abrupt, ein Auto, das davonfährt, eine Geschichte, die vorüber ist. Der Rest ist Nachspiel, Verzweiflung, verzweifelte Hoffnung, leer bleibt die Leinwand, wenn sie sich fortan mit einer Großaufnahme des Gesichts von Isild Le Besco füllt.

Ein Gesicht ist es, in das Lili, die Kunststudentin, sich verliebt, auf den ersten Blick. Ein junger Araber, sie zeichnet sein Gesicht, sie schläft mit ihm, er schenkt ihr ein teures Armband, er hat Geld und etwas stimmt nicht. Ein Telefonanruf, wir haben eine Bank überfallen, sagt er, der Kassierer ist tot, ich sitze fest, mit Geiseln. Er entkommt, er findet bei ihr Unterschlupf, sein Komplize, dessen Freundin, zu viert fliehen sie. Später, beim Frühstück, die eine Frau zur anderen: Du kommst auch aus dem Großbürgertum. Das ist der Grund, warum Lili, die aufs äußerste gelangweilt ist, von ihrem Leben, ihren Eltern, ihrer Familie, ihrem Studium, das Verbrechen gerade recht kommt, eine Gelegenheit zur Flucht, die sei gesucht zu haben scheint.

Gerade im Bezug, der sich nahelegt, zur Nouvelle Vague, zu Godards "Außer Atem", ist "A tout de suite", als Nachspiel, als nachgeholte Geschichte eines katastrophal endenden Ausbruchsversuchs, ein finsterer Kommentar zu den 60er Jahren. In der weit reichenden Verinnerlichung seiner Motive schweigt der Film beredt zu den Hoffnungen einer Generation. Lesbar wird Jacquots Gangsterballade als Gegenstück zu Bertoluccis so sentimentalen wie nostalgischen "Träumern", dem Entwurf also einer Innerlichkeit, in dem Revolution, Liebe und Nouvelle Vague in ganz imaginärer Weise für einen Moment noch einmal zusammenfinden: eine Altmännerfantasie.

Jacquots Innerlichkeit aber ist eine auf Gesichter, auf Großaufnahmen des Gesichts von Isild Le Bescos fixierte. Von Freiheit ist darin nichts zu lesen, das Glück ist von Beginn an eine Lüge. Daran ändert sich nichts dadurch, dass Lili, in Madrid, in Marokko daran glaubt. Noch in den Momenten, in denen die Fliehenden der Macht entkommen, steckt nicht das kleinste Element von Übermut, von jener jugendlichen Tollkühnheit, die die größenwahnsinnigen Gesten der Nouvelle Vague immer wieder in ihr Recht setzte.

Der Terrorismus, der die eigentliche Folie dieser Geschichte ist, wird von Jacquot ins Kleinkriminelle verschoben, der Aufbruch in die zunehmend gehetzte Flucht, die Liebe in die Beinahe-Prostitution. Lesbar wird das Gesicht von Isild Le Besco, Großaufnahme für Großaufnahme, nur ex negativo, in dem, was Jacquot ausspart, vielleicht verdrängt, gerade auch, indem er der den Alltag der Zeit immer wieder in mechanischer Weise abzubilden sucht, durch den Insert von historischem Filmmaterial. Wie sich hier ein Regisseur der Post-Nouvelle-Vague den ganz hoffnungslosen Ausgang einer Rebellion erträumt, das hat etwas Unheimliches. Und ist darin sehr viel ehrlicher und treffender als Bertoluccis mit viel Rouge aufgeschminkte Revolutionsleiche.

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