Die Genres: Western, Melodram. Die Farben: bonbonbunt verdreht.
Eine Parodie, eine Hommage, im Ernst, im Scherz. "Tears of the Black Tiger"
ist ein Film wie kein anderer, gedreht vom thailändischen Werbefilmer
und Drehbuchautor (u.a. zu Nonzee Nimibutrs Geistersage
"Nang Nak") Wisit Sasanatieng in einem
Stil, den er sich aus 50er-Jahre-Thai, amerikanischem Western, Splatter und
vielleicht noch ein wenig Shaw-Brothers-Studiokunstwelten neu erfunden hat.
Süßlicher Thaigesang dazwischen, aus dem Off. Eine Dreiecksgeschichte,
zwei Männer, eine Frau, overacting, dazwischen eine mehr als ein bisschen
schwule Blutsbrüderschaft, die sich in Blut auflösen wird. Mit
Trash, wonach es klingt, hat es wenig zu tun, denn all das unterliegt einem
Stilbewusstsein und Stilwillen, der seinesgleichen sucht.
Sasanatieng löst seinen Film in Szenen auf, in denen jede Einstellung
aufs Haar getüftelt ist - und in der zugleich jede Menge Spiel für
spielerische und anspielende, ludierende und alludierende Momente bleibt.
Darauf aber bleibt es, den eigenen parodistischen Charakter stets wieder
übersteigend, nicht beschränkt, denn das Melodram geht, von Zeit
zu Zeit, zu Herzen. "Tears of the Black Tiger" ertränkt einen in Stil
und Gefühl. Bildgewalt und bittersüße Liebe. Die Farben:
Es dominieren ein türkises Grün, ein knalliges Rot, in
sorgfältigsten und artifiziellen Kompositionen. Wer hat hier an der
Farbe gedreht? Nicht der Kameramann, auch nicht der Set Designer, sondern
der Regisseur, der sein 35mm-Material digitalisiert, dann mit aller Konsequenz
durch die Bildverarbeitung gedreht und dann auf Zelluloid zurückkopiert
hat (auf der DVD, kann man sich denken, macht es nun allerbesten
Fehlfarbeneffekt). Lilarote Lippen für die Männer, flächiges
Bunt für die Hintergründe. Eine Szene auf einer Wiese inszeniert
sich selbst als Theaterkulissen-Auftritt, der Hintergrund ist, offenkundig,
gemalt. Trickeffekte auch, Dum, der beste Schütze der Welt, schießt
schneller als sein bonbonbunter Schatten. Ein Duell spät, die Kamera
fährt durchs Schwarze, jagt die Kugeln aufeinander, nach bester - allerdings
noch einmal übersteigerter - John-Woo-Manier, ein Blitz und Blut.
Es ist natürlich das, was man postmodernen Film nennt, Tarantino
mit besserer filmtechnischer Ausbildung und den wilderen Vorbildern. Schlau
eingefädelt auch, von hinten her, mit einer Vorgeschichte hinterdrein,
die seltsam berührt, die, seltsam, berührt, inmitten des Unernstes,
der sich im Zusammenstoß des Unzusammengehörigen entlädt.
Es halten sich der Parodie- und der Verehrungsimpuls die Waage, gelegentlich,
aber seltener, als man denken sollte, kippt sie in die eine oder andere Richtung
- stets ist dann aber die kunstvoll überinszenierte Schönheit da
und fängt sie auf. Ein Film wie kein anderer, aus der Zeit gefallen,
ein Pastiche Thai-style, der erste Thai-Film in Cannes: "Un Certain Regard".
Weiß Gott. Mehr als einen Blick wert.
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