Streifzug durch die Bibliothek (1): Alexowitz, Seesslen, Schwerfel, Cabrera Infante, Chris Drake, Roland Schneider

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Daten zum Buch

Streifzug durch die Bibliothek (1)

Myriam Alexowitz: Traumfabrik Bollywood. Indisches Mainstream-Kino. Bad Honnef 2003.

Georg Seesslen: Die Matrix entschlüsselt. Berlin 2003

Georg Seesslen: Martin Scorsese. Berlin 2003

Heinz Peter Schwerfel: Kino und Kunst. Eine Liebesgeschichte. Köln 2003

Guillermo Cabrere Infante: Nichts als Kino. Frankfurt (Main) 2001

Kelly Oliver, Benigno Trigo: Noir Anxiety. Minnesota 2003

Chris Drake: Light Readings. Film Criticism and Screen Arts.2001

Roland Schneider: Cinéma et spiritualité de l'Orient extreme: Japon et Corée 2003

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Streifzug durch die Bibliothek (1)

Von Ekkehard Knörer

[Image]
Chris Drake: Light Readings

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Vorbemerkung: Nicht alle der besprochenen Bücher habe ich vollständig gelesen - das ist jeweils vermerkt. Wenn Sie der Ansicht sind, dass das mehr oder weniger gründliche Durchblättern keine Grundlage für ein Urteil ist, dann dürfen Sie sie natürlich gerne behalten. Ich teile sie, wie Sie sich denken können, nicht.

Hier die Liste der besprochenen Bücher:

Myriam Alexowitz: Traumfabrik Bollywood. Indisches Mainstream-Kino. Bad Honnef 2003.

Georg Seesslen: Die Matrix entschlüsselt. Berlin 2003

Georg Seesslen: Martin Scorsese. Berlin 2003

Heinz Peter Schwerfel: Kino und Kunst. Eine Liebesgeschichte. Köln 2003

Guillermo Cabrere Infante: Nichts als Kino. Frankfurt (Main) 2001

Kelly Oliver, Benigno Trigo: Noir Anxiety. Minnesota 2003

Chris Drake: Light Readings. Film Criticism and Screen Arts.2001

Roland Schneider: Cinéma et spiritualité de l'Orient extreme: Japon et Corée 2003


Myriam Alexowitz: Traumfabrik Bollywood. Indisches Mainstream-Kino. Bad Honnef 2003.

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vollständig gelesen

[Image]Was soll man sagen? Dass das Buch derzeit konkurrenzlos ist auf dem deutschen Markt der Bollywood-Einführungen? Das versteht sich von selbst, denn es ist im Grunde das einzige. Und als Einführung ist es nicht einmal schlecht. 400 Filme hat die Autorin - Filmwissenschaftlerin und Ethnologin - gesehen, in Indien kennt sie sich aus, die Einteilung der Kapitel überzeugt. Es gibt filmgeschichtliche Informationen (solide, wenngleich arg knapp und ganz konzentriert auf die Filmindustrie von Bombay/Mumbai), religiös-kulturelle Hintergründe (da bin ich nicht kompetent, aber es wirkt, wenngleich mitunter etwas kurzschlüssig, überzeugend), Einblicke in das Starsystem, eine - recht gelungene - Auswahl von Filmklassikern, die etwas ausführlicher vorgestellt werden, eine längere Untersuchung von "Kabhie Kushi Kabhie Gham", was naheliegt, da dieser Film auch in Deutschland zu sehen gewesen ist. So weit, so instruktiv.

Andererseits, muss man sagen, ist die Lektüre mitunter kein Vergnügen. Für die Ästhetik der Filme hat die Autorin nicht den mindesten Sinn, überhaupt fehlt es ihr beinahe gänzlich an formalen Kategorien, die eine interessante Beschreibung der Filme möglich machten. Freundlicher gesagt: Der Zugang ist eher ethnologisch als filmwissenschaftlich oder -kritisch. Unfreundlich gesagt: Das ganze ist in erster Linie Landeskunde. Immer wieder dringt Klatsch durch die Ritzen - statt der Feststellung, dass Klatsch wesentlicher Bestandteil des indischen Lebens mit den Filmen und Stars ist. Das ist die falsche Mimikry ans Objekt. Der Ton, die Sprache, die Analysen sind durchweg eher naiv als sophisticated. Kurzum: Eine sehr brauchbare Einführung in die Grundgegebenheiten des Bollywood-Films. Mehr leider nicht.


Georg Seesslen: Die Matrix entschlüsselt. Berlin 2003

vollständig gelesen

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[Image]Ein Seesslen-Schnellschuss, ohne Frage. Aus der Hüfte und er geht einigermaßen nach hinten los. Das ist aber zunächst nicht seine Schuld, da die Wachowskis die beiden Fortsetzungen so gründlich in den Sand gesetzt haben. Das sagt Seesslen aber eher verklausuliert. Und ohnehin hat er ja nie ein Problem, noch über die dümmsten Sachen Kluges zu sagen. Hier eher in Form einer écriture automatique, eines recht frei durch die aktuelle Geistes- und Theorielandschaft schweifenden Assoziationsmäanders, der wenig unberührt lässt: die Geschichte des Science-Fiction-Films, Geschichte des Comic, Grunge, Punk, Cyber-Literatur und -Theorie, Christologisches, Anagrammatisches, Wachowski-Biografisches, Produktionsnotizen, Thesen über Thesen:

"Man könnte seine Geschichte ja auch schlicht als Überwindung von Höhenangst ansehen"

"Wer will, kann indes auch eine aufgeblasene psychologische Familiengeschichte darin sehen"

"Jedenfalls könnte man so alles als eine Art des besonderen, digitalen Wunderlandes ansehen, in dem einfach alles genau andersherum verläuft als in der menschlichen Geschichte."

ad infinitum.

Strukturiert, wenn man so sagen will, ist das in mehrere An- und Durchläufe, einen allgemeinen, wüst von hier nach da sich schlängelnden Beginn, es folgen sehr lesenswerte Hinweise zum Matrix-Umfeld aus Animatrix und Computerspiel und dann, als wär's ein Versuch in Systemtheorie (was es nicht ist): Die Ästhetik der Matrix, die Politik der Matrix, die Philosophie der Matrix, die Religion der Matrix. Fehlt: die Matrix der Matrix. Das Aufregende neben dem Dämlichen, der Geistesblitz neben der Banalität. Ganz unreine Seesslen-Mischung, aber natürlich immer noch besserer Stoff als das meiste, was einem sonst so als Filmliteratur angedreht wird. Sehr unangenehm fällt allerdings der seltsam anbiedernde Ton auf. Die Zielgruppe sind offenbar theorieversessene Fünfzehnjährige. Willkommen denn im Seesslen-Universum!


Georg Seesslen: Martin Scorsese. Berlin 2003

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abgebrochen

[Image]Dies nun kein Schnellschuss, sondern, weiß Gott, das Gegenteil. Seit Jahren angekündigt und nun: ein Ziegelstein. Alles, was Sie über Scorses wissen wollten, aber nie zu denken wagten. Methode: Auteuristische Psycho-Biografie. "Magische Biografie" nennt Seesslen das selbst. Die Filme oder noch präziser: die Scorsese-Helden, noch präziser: der Scorsese-Held, werden rückgelesen auf das sich selbst imaginierend in sein Werk hinein entwerfende Subjekt Scorsese, in dem so manches drinsteckt. Die Filmgeschichte, der Katholizismus, Roger Corman, Sizilien - und was damit so alles zusammenhängt. Das kann man dann wieder herauslesen und keiner kann es besser als Georg Seesslen. Oder sagen wir: gründlicher.

Sehr einleuchtende Grundthesen: "Scoreses Kino ist weder naturalistisch noch rhetorisch. Seine kinetische Poesie entwickelt sich aus fundamentalen philosophischen und ästhetischen Diskursen. Die Frage ist: Was ist das Leben?" Oder: "Es ist, asl würde ein Materialist im Mythos wüten und ein Mythopoet die spirituelle Wahrheit im Materiellen suchen". Das entfaltet Seesslen nun, in allgemeineren Erörterungen und Film für Film. Bei "After Hours" bin ich ausgestiegen. Wenn beim Matrix-Buch der theorieversessene Fünfzehnjährige die Zielgruppe ist, dann ist es hier der Scorsese-Enyzklopädist, dem eine These und Detailbeobachtung nach der anderen gereicht wird. Das ist, gewiss, mitunter redundant und bei mehr als einer Gelegenheit geht der Semiotiker mit dem Autor durch, der noch und noch und noch eine Lesart der Figur, des Plots oder der winzigsten Szene zu bieten hat. Seesslen ist ein begnadeter Zeichenleser, aber irgendwann geht's nicht mehr. Für die durchgehende Lektüre - es folgen zum Schluss noch mal grundsätzlichere Aufsätze zu Themen wie "Diskontinuierliche Spiritualität" oder "Der Mensch in seiner Hölle" - eignet sich das nicht. Man kann die Kapitel zu einzelnen Filmen nachlesen nach dem Kinobesuch. Sonst aber gilt, für mich jedenfalls: semiotic overload.

P.S.: Natürlich ist die Bertzsche Buch-Aufmachung mit den gewohnten Bildserien opulent wie stets.

Vgl. auch unseren Eintrag ins Lexikon der Filmkritiker: Georg Seesslen


Heinz Peter Schwerfel: Kino und Kunst. Eine Liebesgeschichte. Köln 2003

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vollständig gelesen

[Image]Was wäre spannender als das Thema dieses Buches: Die neue Konjunktur des bewegten Bildes in der Kunst. Die Invasion der black box in die Räume der Museen und Galerien. Der Bezug der Kunst, die immer Frage nach ihrer eigenen Form ist, auf das Kino, das in Theorie und Praxis zwar Formkunst, aber wenig Reflexion auf die eigene Form zu bieten hat. Ein Spannungsfeld, denn ein Kino, das sich selbst und seine Form zur Disposition stellt, wäre Kunst. Und die Kunst, die sich im Narrativen erschöpft, wäre Kino. Faszinierend wird es, wo die eine Seite mit der anderen spielt (Figgis' "Timecode", Gus van Sants "Psycho" und auch "Elephant" auf der einen, Douglas Gordons "24 Hour Psycho" oder Rodney Grahams "Vexation Island").

Schwerfel nun stellt, von der Kunst kommend - früherer stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift ART - den Grenzbereich vor und damit die üblichen Verdächtigen: Bill Viola, Pierre Huyghe, Shirin Neshat, Douglas Gordon, aber auch David Lynch, Chantal Akerman, Peter Greenaway. Das ganze ist ein Buch von Coffeetable-Ausmaßen, kommt opulent bebildert daher wie ein Ausstellungskatalog - und ist, im ganzen, dann doch eine arge Enttäuschung. Nicht nur erweisen sich die Künstler - das ist nicht unbedingt anders zu erwarten - im Interview als fast durchweg dümmer als ihre Kunst, zudem von beträchtlicher Arroganz und Ahnungslosigkeit geschlagen, was das Kino betrifft. David Lynch ist haargenau der Nenner, auf den sich alle verständigen können: eine Einseitigkeit, die schon wieder Dummheit ist.

Und Heinz Peter Schwerfel ist der letzte, der dem kluge Analysen, genauere Kenntnis der Vielfalt des Films und der Filmgeschichte oder auch nur genaue Beschreibungen der Kunst, die sich zum Kino in ein Verhältnis setzt, entgegenhalten könnte. Immer wenn es spannend wird, verliert er sich im Geschwätz. Oder steckt in Sätzen wie diesen ein halbwegs präziser Gedanke: "Im Gegensatz zum Dramaturgen Tarantino ist Lynch ein Manierist des Bildes; er beschränkt sich nicht auf narrative Verstöße, sondern unterstützt diese durch visuelle Störfaktoren, die keine Tricks oder Special Effects sind, sondern suggestive Einladungen in seelische Abgründe. Lynch hält die Illusion des Kinos aufrecht, indem er sie unterläuft; das Reich des Wirklichen wird ausgeweitet in ein Reich des Möglichen." Diese Banalität, die sich mit Tiefe verwechselt, regiert den Ton des Buchs durchweg. Bleiben die Bilder.


Guillermo Cabrere Infante: Nichts als Kino. Frankfurt (Main) 2001

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einzelne Texte gelesen

[Image]Was für Infante spricht, ist seine unbedingte Liebe zum Kino. Er kennt sich aus und er steckt voller spannender Beobachtungen und Anekdoten. Zu den schönsten Texten des Bandes gehören seine Nachrufe, vor allem der auf den ältesten Freund, den großen Kameramann Nestór Almendros. Infante ist ein kosmopolitischer Kubaner, Fidel Castro spinnefeind, ohne reaktionär zu sein, hat aller Welt die Hand geschüttelt, in Havanna, Paris und anderswo ("Im Dezember 1962 war ich kubanischer Kulturattaché in Belgien und hatte gute Beziehungen zu Jacques Ledoux, dem Kurator der Belgischen Kinemathek."; "'Pulp Fiction', zu dessen Prämierung mit der gewichtigen Goldenen Palme ich in Cannes beitrug") und er schreibt geistreich, es gibt so Sätze wie: "Ich bin nicht gerade wahnsinnig begeistert von Der blaue Engel; ich mag die Farbe Blau, aber keine Engel." Wer diesen Satz nicht mag, der wird auch das Buch nicht mögen.

Geistreich ist das Buch also, lässt einen am internationalen Film-Jet-Set aus Festivals, Jurys, Empfängen etc. teilhaben, wenn auch nur mit einem rasch gewährten Blick hier und da. Infantes Kenntnisse des klassischen Hollywood sind stupend, der europäische Autorenfilm wird gewürdigt und sehr freundlich (und geistreich) schreibt er dann auch noch über Quentin Tarantino und Abbas Kiarostami. Tief geht das nie, von aller Theorie ist es gänzlich unangekränkelt und eines ging mir doch sehr auf die Nerven: der Machismo, mit dem hier weibliche Stars vergöttert werden ohne dass Infante sich das mindeste um die von anderswoher durch sein Hirn schwirrenden Sexismen scherte. Aber Spaß macht die Lektüre, Klatsch auf hohem Niveau.


Kelly Oliver, Benigno Trigo: Noir Anxiety. Minnesota 2003

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durchgeblättert

Das steht im Vorwort:

"In Noir Anxiety, we interpret (...) the style of noir along with 'the terse elliptical dialogue, insoluble plots, and nihilistic mood' as various condensations and displacements of symptoms of concrete anxieties over race, sex, maternity and national origin that threaten the very possiblity of identity by undermining its boundaries. (...) Behind the free-floating anxiety of noir is s primal anxiety over borders and boundaries that manifests itself in specific fears and phobias of race, sex, maternity, and national origin."

Kurz gesagt also geht es um eine Reduktion. Der Faszination des Noir auf - das steht, ich lüge nicht, bestimmt fünf mal einigermaßen wortlautidentisch schon im Vorwort - kurrente Ängste, von denen man sich ein ganz traditionell psychoanalytisches Bild macht. Der Film Noir - das umfasst hier seine klassische wie seine postmoderne Variante - ist also nichts weiter als Illustration einer Theorie. Übersetzungen finden statt, nichts leichter als das, am Ende ist alles einzutragen in eine Matrix der üblichen Buzzwords: Identität. Grenzen. Rasse. Sexualität undsounerträglichweiterundsounerträglichfort. Dass Julia Kristeva (Motto) und das Abjekte (schon auf den folgenden Seiten) nicht weit sind, versteht sich von selbst. Die beiden Autorinnen sind Professorin bzw. assistant professor für Philosophie und Women's Studies in Stony Brook. Achtung: weiträumig umfahren.

Einer meiner Ex-Professoren, der Medien- und PoMo-Tausendsassa Douglas Kellner gibt auf dem Rückcover seinen Segen zu dem Schrott: "Noir Anxiety is a highly original and engaging analysis of one of the most enduringly popular Hollywood film genres." Mit einiger Präzision hat er hier das gerade Gegenteil der Wahrheit getroffen.


Chris Drake: Light Readings. Film Criticism and Screen Arts. 2001

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gründlich durchgeblättert, einzelne Texte gelesen

[Image]Chris Drake ist ein aus der Akademie entlaufener Kritiker, der jetzt bei Sight & Sound, Film Comment, Independent, also den besseren englischsprachigen Adressen, sein Geld verdient. Beiträger ist er auch des exzellenten Vertigo Magazine, derzeit schreibt er an einem Buch über Alphaville und einem Roman, der den Titel Zéroville tragen soll. Versammelt sind hier Kritiken und Essays dreierlei Art: Teil eins besteht aus den regulären Filmkritiken, vor allem aus Sight & Sound, Teil zwei ist auf Texte zum französischen Kino fokussiert, Teil drei beschäftigt sich, ungewöhnlich genug für einen Filmkritiker, mit dem Bereich von Video, Installation, Film im Museum.

Im Vorwort, das sehr realistisch und nicht ohne Selbstkritik die Umstände eines Schreibens unter journalistischen Umständen beschreibt, beruft Drake sich, da kann man nicht meckern, auf Manny Farber und Serge Daney und was eigentlich selbstverständlich sein sollte und ihm selbstverständlich ist, ist, das stellt er gleich fest, unter den obwaltenden Verhältnissen beinahe eine Provokation: "Engaged with openly, cinema inevitably leads one on to the other arts."

Drakes Texte sind solide, klug, man erkennt das Bemühen, einer eher bornierten Leserschaft auch Dinge nahe zu bringen, die ihr fern liegen. Darin aber liegt auch ihre Crux. Sie haben einen Zug ins Propädeutische, der, keine Frage, dem einigermaßen erstickenden Nivellierungsdruck der britischen Sight & Sound geschuldet ist. Jeder Anlauf ins Theoretischere wird durch vorsichtige Rückbaumaßnahmen flankiert, an Kenntnissen wird oftmals einfach nichts vorausgesetzt. Sehr gewagt, sehr spannend, gar: abenteuerlich lässt sich so natürlich weder denken noch schreiben. Eine anregende Lektüre, keine aufregende.


Roland Schneider: Cinéma et spiritualité de l'Orient extreme: Japon et Corée. 2003

Kauf bei Amazon

gründlich durchgeblättert

Der Titel führt schon mal einigermaßen in die Irre, da sich das Themenfeld, was die Länder angeht, rasch reduziert. Für Japan stehen hier, in mehrfachen, irritierend wenig auseinandersortierten Anläufen, die üblichen Verdächtigen: Mizoguchi, Ozu, Kurosawa und - aber schon eher am Rande - Oshima. Für Korea, das ist mal originell, ein einziger Film, nämlich Yong Kyun-baes "Warum Bodhi-Dharma in den Orient aufbrach". Von hier nach da, das die These, führt eine Linie - und es ist die der fernöstlichen Spiritualität. Was dabei nicht zu passen scheint, wird passend gemacht, Kurosawa etwa, der vermeintlich westlichste der japanischen Regisseure, dem Taoismus zugeschlagen.

Vor Essentialisierungen schreckt Schneider nicht zurück, dieser Art: "Le japonais se définit d'abord par une profonde pudeur, créatrice d'une distance parfois insurmontable. Si le gro plan constitue l'ame du cinéma, il est largement absent du cinéma nippon, attentif à transcender toute chose dans une spiritualité matérielle." (Aus dem Vorwort). Er schreibt apodiktisch über Japan sowie über die einzelnen Regisseure, das Frühwerk Ozus - für das alles, was er so strikt behauptet: unbewegte Kamera, Tatami-Position, nicht gilt - kennt er offenkundig nicht, andere Regisseure lässt Schneider souverän außer Acht. Er hat, ist dem Klappentext zu entnehmen, auch über das deutsche Kino, über den Neorealismus geschrieben und veröffentlicht in der Zeitschrift "Cinémaction".

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