FESTIVAL BERLINALE 2002 |
|
.BERLINALE 2002- 6.-17.2.2002Tägliche, nach Möglichkeit mehrmals tägliche Aktualisierungen mit Kritiken, Eindrücken von Pressekonferenzen, News etc. gab es beim Jump-Cut-Berlinale-Weblog!
(Panorama - Forum - Jump Cut Startseite) Goldene Bären für "Spirited Away" und "Bloody Sunday" Kommentar von Ekkehard Knörer Der Vorhang zu den 52. Internationalen Filmfestspielen ist gefallen. Die Preise sind vergeben. Die Kritiker und die Besucher sinken, beglückt, gelangweilt, verärgert, vor allem aber erst mal: erschöpft von den vielen Bildern und Geschichten, zurück in ihren Alltag,. Man wird nicht sagen können, dass der Jahrgang 2002 herausragend war, ein wirkliches Meisterwerk gab es, im Wettbewerb jedenfalls, nicht zu sehen. Dazu passt, dass der Goldene Bär diesmal geteilt wurde. Eine wunderbare Entscheidung, die gewiss nicht auf einhellige Zustimmung stoßen wird, ist der Goldene Bär für "Spirited Away". Der Film fand in der Presse kaum Resonanz, in Scharen strömten die Journalisten aus der Vorführung. Dabei war schon die Einladung ein wirkliches Ereignis: Erstmals seit 1951, als der Disney-Film "Cinderella" bei der allerersten Berlinale einen Goldenen Bären gewann, nahm überhaupt wieder ein Animationsfilm am regulären Wettbewerb Teil. Der Regisseur Hayao Miyazaki wird in seiner Heimat Japan längst kultisch verehrt, sein "Spirited Away" ist dort der erfolgreichste Film aller Zeiten. Miyazaki verbindet darin, wie in all seinen Filmen, überbordende Fantasie mit einem immer originellen Zugriff auf westliche und östliche Mythen, Legenden und Texte, ohne doch den Bezug zur Gegenwart zu kappen. Das deutsche Feuilleton (mit wenigen Ausnahmen) weigerte sich, den animierten Bildern ihre Größe anzusehen - umso erfreulicher nun diese Entscheidung der Jury. Aus künstlerischen, gewiss nicht aus politischen Gründen sehr bedauerlich ist dagegen der zweite Goldene Bär für Paul Greengrass' "Bloody Sunday", die akribische Rekonstruktion eines der schwärzesten Kapitel in der nordirischen Geschichte. Das Ergebnis bleibt, der pseudokumentarischen Kamera, der begrüßenswerten Verdammung des Unrechts zum Trotz eine gut gemeinte, aber blutleere Geschichtslektion, ein in seinen Mitteln und Ideen gänzlich unbedarftes Fernsehspiel. Aus der Riege der alten Herren, deren Filme für den Wettbewerb leider eher Ballast als Bereicherung waren, bekam Otar Iosseliani für seinen skurrilen "Lundi Matin" den Silbernen Bären für die beste Regie, der Berlinale-Veteran Bertrand Tavernier hatte mit "Laissez-Passer", seinem Film über die Rolle der deutschen Continental-Film im besetzten Frankreich, nicht überzeugen können - und erhält doch zwei Preise, für Jacques Gamblin als besten Darsteller und für die Musik von Antoine Duhamel. Es hätte Alternativen für den Goldenen Bären gegeben, leider bedauernswert wenige. Dieter Kosslick, der Ex-Filmförderer, hatte bei seinem Debüt als Festivalchef vor allem mit der Auswahl von gleich vier deutschen Filmen im Wettbewerb für Aufsehen gesorgt und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen versucht, die dann, alles in allem, doch nicht recht entstehen wollte. Tom Tykwers mit Cate Blanchett in der Hauptrolle herausragend besetzter Film "Heaven", entstanden nach einem nachgelassenen Drehbuch von Krysztof Kieslowski (und Krysztof Piesiewicz), wurde nicht unfreundlich, aber ohne alle Begeisterung aufgenommen. Nach ein paar Tagen war von ihm nicht mehr die Rede, ganz zu Recht. Zu dick aufgetragen ist die metaphysische Symbolik in der zweiten Hälfte des Film, zu dick der Pinselstrich und zu wenig überzeugend die Geschichte einer vorbehaltlosen Liebe, die "Heaven" eigentlich tragen müsste. Der vielleicht umstrittenste Wettbewerbsbeitrag war Dominik Grafs "Der Felsen". Auf den Fluren überwogen nach der Vorführung die empörten Kommentare, Hellmuth Karaseks vernichtende Kritik im Tagesspiegel machte tags darauf rasch die Runde. Dabei war Grafs erster Kinofilm nach acht Jahren das einzige echte Wagnis im Wettbewerb, der ehrgeizige und über weite Strecken gelungene Versuch, die Essenz einer Liebesgeschichte zu erzählen, ohne Rücksicht auf Realismus und Psychologie. Der Off-Kommentar, der wie die sinfonische Musik eine bewusste Distanz zu den selbst distanzlosen digitalen Video-Bildern herstellen sollte, wurde als redundant, störend, als ärgerliche Dummheit missverstanden. Keine Frage, dass "Der Felsen" die Geduld des Betrachters gelegentlich strapaziert - aber die Risiken, die Graf einging, und die vielen Szenen, in denen das Kalkül aufgeht, machen den Film zu einem aufregenden Kinoerlebnis. Das wäre einen Bären wert gewesen. Der einzige weitere Beitrag, der gleichfalls einen größeren Teil des Publikums verstörte, war Kim Ki-duks neuestes Werk "Bad Guy". Er erzählt die horrende Geschichte einer in die Prostitution gezwungenen jungen Frau, die sich in den Mann verliebt, der sie allererst ins Unglück gestürzt hat. Die sehr eigene Vision des Regisseurs, die Poesie, die er der Gewalt abpresst, die Ambivalenz, die er von Anfang bis Ende bewahrt und auch dem Betrachter aufnötigt, hätten mehr Anerkennung verdient, als sie bekamen - wenngleich sein neuester Film hinter dem großen Wurf "The Isle" zurückblieb. Preiswürdig auf ganz andere Art war einer der Publikumslieblinge, Andreas Dresens aus der Improvisation mit den Schauspielern entstandene, gleichfalls mit digitaler Videokamera gedrehte Ehebruchsgeschichte "Halbe Treppe", die auf jeden Fall die meisten Lacher auf ihrer Seite hatte. Ein vom Anspruch her kleiner Film, aber bis in die kleinsten Details stimmig und intelligent. Für so etwas gibt es nicht die ganz großen Festivalpreise, aber immerhin den Preis der Internationalen Jury - völlig zu Recht. Auf der ganzen Linie enttäuschend war dagegen der vierte deutsche Beitrag, Christopher Roths "Baader", der den Terroristen als Popfigur, die erste Generation der RAF als gruppendynamisches Experiment vorführen wollte. Das Ergebnis wirkt jedoch so mut- wie ziellos, weder zu seinen Figuren noch zur jüngeren deutschen Geschichte gibt der Film einen interessanten Kommentar. Gleichfalls unerfreulich waren die Wettbewerbsbeiträge aus den USA. Lasse Hallströms Bestseller-Verfilmung "Schiffsmeldungen" ist eine so unsäglich verlogene Schmonzette, dass einem der immer verlässliche Hauptdarsteller Kevin Spacey nur Leid tun konnte. "Monster's Ball", im Kern eine unkonventionelle Liebesgeschichte, bewegt sich inszenatorisch immerhin an den Rändern der von Hollywood vorgegebenen Darstellungsklischees, findet letztlich aber kein überzeugendes Mittel gegen die Zumutungen des Drehbuchs. Dass Halle Berry - nach einer Oscar-Nominierung - nun auch den Bären als beste Schauspielerin erhält, überrascht nicht, ist aber sehr bedauerlich. Neben Billy Bob Thorntons Subtilität hätte ihr überzogenes Spiel doch eigentlich auffallen müssen. Beträchtlichen Vorschusslorbeer brachte Wes Andersons "The Royal Tenenbaums" aus Amerika mit - umso größer der Ärger, dass außer einem selbstgefällig ausgebreiteten Privatkosmos an Anspielungen und Bilderwitzchen nichts zu sehen war. Allgemeine Enttäuschung dürfte herrschen, dass Jedermanns Liebling und Favorit "8 Femmes" leer ausging - abgesehen vom Preis für die größte künstlerische Einzelleistung, den sich absurderweise alle acht Hauptdarstellerinnen teilen. Dass die Schauspielerinnen ausgezeichnet wurden, leuchtet freilich ein, denn die Besetzung ist das größte Plus von "8 Femmes". Ansonsten verbindet er zwar amüsantes und leichtfüßiges Boulevard-Theater mit einer intelligenten Inszenierung, aber er ist auch ein Film, der nichts riskiert, der an Vorbilder anknüpft, ohne selbst Vorbild, Denkanstoß oder eine Herausforderung zu sein. Diese Entscheidung also geht in Ordnung. Über den Preis für "Spirited Away" darf gejubelt werden - und der Goldene Bär für "Bloody Sunday" wird so rasch vergessen sein wie der Film selbst. Die Kritiken der einzelnen Tage: KT ist nicht nur der Abschlussfilm, sondern auch der ästhetische Tiefpunkt des Wettbewerbs. Freude bereitet dagegen im Forum der unspektakuläre Take Care of My Cat. Und ein Nachtrag: Park Ki-Jongs minimalistisches Meisterwerk Nakta(dul). Gelangweilt und ratlos lässt: Baader. Eine interessante Herausforderung ist Bad Guy. Und Fulltime Killer ist mal wieder ein exzellenter Film von Johnnie To. Um historische Fragen geht es in Istvan Szabos Taking Sides. Ein Beigeschmack von Theorie: Framing Reality mit Slavoj Zizek. Eingeschlafene Füße beim Wettbewerbsbeitrag Piedras. Pädagogische Prvinz in Vietnam: The Deserted Valley. Japanischer Rassismus: Go. Übersehen: Iris. Dieser Kaiser ist nackt. Die Royal Tenenbaums sind eine bittere Enttäuschung. Dazu: Ärger um die Hochhuth-Verfilmung Amen von Costa-Gavras. Im Forum: Chen Mo und Meiting. Ein Meisterwerk des Musikfilms ist Tony Gatlifs Swing, nicht viel mehr als Werbung für die neuste BAP-CD dagegen Wim Wenders' Viel Passiert. Schwere, aber sehenswerte Kost: Seafood aus China. Und A Beautfiul Mind hat die acht Oscar-Nominierungen, auf seine Weise, verdient. Eine wunderbare Sache: Ehebruch in Frankfurt (Oder) in Andreas Dresens Halbe Treppe. Und fast ebenso schön: Ann Huis July Rhapsody. Schiffsmeldungen ist Hollywood von der übelsten Sorte. Coline Serreaus Chaos macht Spaß - und mit Edgar Reitz war der Neue Deutsche Film zu Gast. Dominik Grafs Film Der Felsen ist ein grandioses Wagnis - er wird die Kritik spalten. Eine Entdeckung im Forum: God's Children und ebenfalls sehenswert: Mika Kaurismäki in Brasilien. Der erste Animationsfilm, der je im Wettbewerb der Berlinale gezeigt wurde: Spirited Away. Dazu ein Detektiv in einem mysteriösen Wald in Yokohama Mike von Eureka-Regisseur Shinji Aoyama - und der leichtfüßige Musical-Krimi 8 Femmes von Francois Ozon. Beneath Clouds im Wettbewerb macht nicht wirklich glücklich. Drei Stunden Russlandfahrt im Forum waren nicht uninteressant. Dazu ein tunesischer Film , eine deutsche Klassenfahrt und Unbehagen über Monster's Ball. Monster's Ball ist für Günter H. Jekubzik der erste Bären-Favorit. Bungalow von Ulrich Köhler ist ein viel versprechendes Debüt. Kritiken zu: Bloody Sunday von Paul Greengrass, Site (Kurzfilm zum 11. September von Jason Kliot) und Bridget von Amos Kollek. Zwei Kritiken zum Eröffnungsfilm HEAVEN von Tom Tykwer online!
Die Filme im einzelnen: (Bei Anklicken des Info-Logos erfahren Sie mehr über die Regisseure, den Film, die Vorführungstermine - diese Informationen werden ständig aktualisiert) USA
Asien
Europa
Australien
|
|
||||||||
![]() zur Startseite
Die Bildrechte verbleiben bei ihren Eigentümern. Die Bilder dienen hier nur der Illustration. Für Kommentare etc.: Mail |