Es fängt an mit Knetmännchen und Spaßmusik aus
Frankreich, Oui Oui, humble beginnings (er selbst spielte bei
der Band Schlagzeug). Das eine allerdings, dass die Welt knetbar ist, und
das heißt: nach dem Bilde der eigenen Fantasie zu formen, das hat Gondry
nie vergessen. Später: Lego, für die White Stripes ("Fell
in Love With a Girl") und das ist noch einer der unoriginelleren Clips. Viel
überzeugender greift die Fantasie nämlich zu auf Reales, indem
sie es verformt. Ein einziger Verformungsrausch "Like a Rolling Stone" von
den Stones, aber auch hier noch: Haften am Parameter Bild.
Übergang: "Star Guitar" der Chemical Brothers, eine einzige,
cliplange Bahnfahrt, zum Schein ungeschnitten, die direkt die Songstruktur
in vorbeirauschende Bilder überträgt. Zunächst will einem
vielleicht die Direktheit der Übertragung - ein vierfach wiederholter
Beat ist gleich vierfach wiederholtes Versatzstück am Bahnwegesrand
- allzu simpel vorkommen. Dann aber wird einem klar, dass dies die Grundform
des Gondryschen Denkens in Bildern, Rhythmen, Verformungen ist: Struktur
plus Fantasie. Was noch zu sehen sein wird, ist nur abstrakt, nicht im Detail
durch die Struktur, die man rasch erkennt, vorherbestimmt. Überraschung
in der Wiederholung, das ist der großartige Effekt der stringentesten
der Clips. Dass die Fantasie mit Gondry durchgeht, gut und schön, aber
viel faszinierender: es geht dann auch die Struktur mit ihm durch.
Bezaubernd Kylie Minogues "Come Into My World", in dem die
Songstruktur (vier mal identische Wiederholung) in Erzählstruktur
übertragen wird: zu sehen ist viermal der selbe Raum, selbe Vorder-,
Hintergründe, aber in jeder neuen Runde wird eine Figur, ein Vorgang
addiert: erste Runde eine Kylie, zweite Runde zwei und so weiter. Dennoch
aber Überraschungsmomente, wiederum, in den Vorgängen im Hintergrund
ebenso wie im Verhalten Kylie Minogues: Wie werden die erst ein, dann zwei,
dann drei, dann vier Kylies einander umtanzen. Überraschung nicht in
der Struktur, sondern die Überraschung, die in die Struktur eingetragen
wird. Oder "The Hardest Button to Button" (wieder White Stripes):
ein Schlagzeug (rot), ein Bass (rot), Vervielfachungen, Schlag für Schlag,
aber die Ausbeulung der Struktur ins Fantastische durch die Unberechenbarkeit
der Orte: von der Straße in die U-Bahn, Gondry räumt den Weg frei
für das zu Beginn gefundene Formprinzip.
Das, dieses Basisprinzip: Struktur plus Überraschung, verformt
dann wieder, aber nun sekundär erst, würde ich sagen, Raum und
Zeit. Manchmal eher einfach so (Björks "Human Behavior"), manchmal aber
in aufregend komplexer Weise, wie in Björks "Bachelorette", der eine
Geschichte in die andere stülpt, Durchgänge schafft von einer Raum-
und Zeitebene auf die nächste, vor allem auch Durchgänge von der
einfachen Ebene auf die Metaebene. Vom Filmraum in den Bühnenraum in
den Metaraum. In einem fort. Man stürzt da hindurch, ein
Bildersturz.
Eine Meditation zum Thema Split Screen: "Sugarwater" von Cibo
Matto. So rigide die Trennwand zwischen den Bildhälften - hier scheint
kein Spiel -, so simpel auf den ersten Blick die Setzung der Parameter,;die
Geschichte, die hier erzählt wird, läuft auf eine bizarre
Begegnung zu und geht so: Rechts nimmt eine junge Frau eine Dusche, links
auch, die parallelen Bilder klaffen in der Laufrichtung auseinander:
vorwärts links, rückwärts rechts. Was man sieht, läuft
aufeinander zu, ohne sich - wie zu erwarten wäre - in genauer Symmetrie
zu treffen. Ein Unfall, die spielerische Simulation eines Unfalls: die Frau
von rechts mit einem Karton in der Hand, auf dem steht: You Killed Me. Nach
dem "Unfall" steht sie auf, wechselt in die linke Bildhälfte, in der
sich das Geschehen nun vorwärts bewegt, während es rechts, mit
der anderen Frau rückwärts läuft. Gerahmt ist das alles von
einer Schrift am Fenster, seitenverkehrt zunächst: gar su ter wa,
untereinander. Am Ende scheint eine Ordnung wiederhergestellt, eine
trügerische, die Schrift sortiert sich in der seitenverkehrten,
laufrichtungverkehrten Wiederholung zum Titel des Songs: Sugarwater.
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