Lars von Trier, geboren am 30. April 1956 als Lars Trier in Kopenhagen, ist
ein unberechenbarer Regisseur. Seine Eltern waren nudistisch orientierte
Kommunisten. Erste Filme drehte er mit 11. Später wurde von Trier katholisch
und ganz allgemein zum Liebhaber von Konversionen. Auf ein manieristisches,
an Stilisierungen, Anspielungen, Mystifikationen übervolles
Frühwerk folgt die - und sei es vermeintliche - Kehre: zum "Dogma"-
Dogmatismus der schlichten Form.
Mit dem Spielfilm-Erstling The
Element of Crime sorgte Lars von Trier für einiges Aufsehen
bei den Filmfestspielen von Cannes. Das zwischen Surrealismus und Film Noir
und Groteske, zwischen Genre und eigenwilligstem Auteurismus schillernde
Werk fand seine noch strengere, noch stilisiertere, technisch noch
verblüffendere Fortsetzung mit Europa (in den USA läuft
der Film unter dem Titel Zentropa) teilte die Arthouse-Zuschauerschaft früh
in Freunde und Feinde. Mit dem nächsten Spielfilm Breaking
the Waves - gedreht zwischen den beiden Teilen der fürs
dänische Fernsehen entstandenen Gespenster- und Medizinergroteske
Hospital der Geister - machte Lars von Trier geradezu Sensation: Die Mischung
aus Melodram und technischer arte povera war ebenso unerhört
wie das offenkundig reaktionär-katholische Bild der sich für den
Mann opfernden, leidenden Frau.
Dann kam "Dogma", das Manifest, mit dem der dänische Film im Zentrum
der filmfeuilletonistischen Aufmerksamkeit landete. Mehr als alles andere
lässt sich die Bewegung, die allen technischen Schnickschnack verbietet,
als groß (wenn auch niemals ohne Ironie) inszenierte, selbst verordnete
Abmagerungskur für Lars von Trier verstehen. Kein Wunder, dass er selbst
mit seinem einzigen wirklichen "Dogma"-Film
Idioten das überzeugendste
und radikalste Werk der mit dem Askese-Zertifikat ausgezeichneten Serie drehte.
Gleich darauf folgte eine weitere Kehrtwende, das opulente
Björk-Qual-und-Gesang-Melodram
Dancer in the Dark.
Danach verkündete Lars von Trier, der aus Flugangst noch nicht aus Europa
heraus gekommen ist (und wohl nie heraus kommen will), er wolle eine
Amerika-Trilogie drehen. Als deren erster Teil entstand
Dogville, reduziert auf ein
theaterhaftes Setting von Kreidestrichen, ein theologischer Traktat über
das Böse im Menschen, mit Nicole Kidman in der Hauptrolle. Auf die
ihreeigentlich zugedachte Titelrolle in der bereits abgedrehten Fortsetzung
Manderlay - die nun die Frage von Schwarz und Weiß ins
Zentrum rückt - hat Kidman dann dankend verzichtet. Zwischen die beiden
ersten Teile der Trilogie schob Lars von Trier sein groteskes Experiment
The Five Obstructions, das im wesentlichen daraus besteht, dass der
Regisseur seinen dänischen Kollegen Jorgen Leth dazu nötigt, einen
alten Kurzfilm mehrmals neue zu verfilmen - allerdings unter vom Sadisten
von Trier vorgegebenen strengen und absurden Regeln.
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