zu den neueren
Filmen
Black Box BRD (Andres Veiel,
D 2001)
Rezension von Ekkehard Knörer
Andres Veiel setzt mit Black Box BRD sein Porträt der Bundesrepublik
am Leitfaden ihrer Toten fort. In Die Überlebenden verfolgte er die
Schicksale dreier Klassenkameraden, die ihrem Leben selbst ein Ende setzten
und leuchtete dabei, wie nebenbei, das Aufwachsen und das Leben in der deutschen
Provinz der 70er Jahre mit einer Gnadenlosigkeit aus, die sich dem Verzicht
auf jeden polemischen Furor verdankte. Die Wut, die entstand, war ganz den
abgeschilderten Verhältnissen und Personen geschuldet. Wut hingegen
gehört zu den Gefühlen, die Black Box BRD, durchaus erstaunlicherweise,
zuallerletzt erzeugt.
Die Polizistin (Andreas
Dresen, D 2001)
Rezension von Ekkehard Knörer
Stark ist der Film im Detail und es sind viele Details, deren Darstellung
ihm gelingt: den Geschichten, die er erzählt, ist durch den
beiläufigen, gelegentlich sehr komischen, nie jedoch auch nur ansatzweise
zynischen Ton der Erzählung alle Sentimentalität ausgetrieben,
sie sind so traurig wie alltäglich, im Zentrum das Drama um den
10jährigen Benny und die zerrütteten Familienverhältnisse,
in denen er aufwächst.
DVD-Review: Die innere
Sicherheit (Christian Petzold, D 2001)
Rezension von Ekkehard Knörer
Der
Film ist außerordentlich klug darin, ganz und gar die Perspektive des
Tunnelblicks zu übernehmen, zu dem die Familie gezwungen ist, ständig
auf der Hut, immer in Angst vor Denunziation. Diese Angst verkörpern
die Darsteller mit brillantem Understatement: die Hysterie steckt als stumme,
um ein Haar ausdruckslose Daueranspannung in jeder Bewegung, in jedem Blick,
mit dem die Umwelt mit zwangssemiotischer Aufmerksamkeit gemustert wird,
ja, in jedem Wort, das man spricht.
Der Krieger
und die Kaiserin (Tom Tykwer, D 2000)
Rezension von Ekkehard Knörer
Tom Tykwer spielt gerne Schicksal, spielt mit seinen Figuren, als
hingen sie an den Fäden einer Vorsehung. Es sind aber nur die Fäden
der Geschichten, die Tykwer sich ausdenkt und die wiederum sind meist, auf
jeden Fall aber im neuen Film, Der Krieger und die Kaiserin, reichlich
bescheuert. Es geht, in Lola bereits, hier wieder, um einen Punkt, an dem
es mit der Kontingenz des langweiligen Alltags ein Ende hat, an dem
zusammentrifft, was - nach Ratschluss der Sterne oder Tykwers -
zusammengehört, an dem die Weichen gestellt werden, für etwas
Großes und Einmaliges, gegen das der Trotz auch eines Kriegers nichts
vermag, und dieses Große und Einmalige ist, wen wundert's, die
Liebe.
Crazy (Hans-Christian Schmid, D
2000)
Rezension von Ekkehard Knörer
Das Gewöhnliche aber, das der Film erzählt, erzählt
er außergewöhnlich gut. Hans-Christian Schmid, der mit Nach
Fünf im Urwald und 23 bereits zwei hervorragende Filme gemacht
hat, frischt die Klischees durch die Beiläufigkeit auf, mit der er sie
in Szene setzt. Crazy ist in gewisser Weise ein Dogma-Film, wenngleich
(Musikeinsatz, 35mm-Film etc.) ein gänzlich undogmatischer.
Anatomie (Stefan Ruzowitzky,
D 2000)
Rezension von Ekkehard Knörer
Auf dem angepeilten internationalen Niveau bewegt
sich Ruzowitzkys ANATOMIE stilsicher zwischen, um zwei Markierungen zu geben,
'Scream' und 'Tesis'. Das Universitäts-Milieu, die Drastik der Effekte,
der Rückgriff auf straight eingesetzte Horror-Momente erinnern
an Amenabars kleines, etwas ungeschlachtes Meisterwerk, während der
bitterböse Humor, der manchmal ein wenig überhand zu nehmen droht,
an die neueren amerikanischen Entwicklungen erinnert - unter Verzicht allerdings
auf das mittlerweile zu Tode gerittene Moment expliziter
Selbstreferentialität.
Liebesluder
(Detlev Buck, D 2000)
Rezension von Sascha Rettig
Der gesamte Film ist wie ein Puzzle, bei dem
die Einzelteile nicht so recht zusammenpassen. Die Darsteller wirken in dieser
Fachwerkpampa gar nicht authentisch. Ganz anders als die kauzigen Knackis
in Männerpension oder die verschrobenen Provinzler in Wir
können auch anders, können die Darsteller in
Liebesluder die Buckschen Eigenheiten und seinen trockenen Humor,
in den ohnehin wenigen potentiell-witzigen Momenten, nicht
transportieren.
Dealer (Thomas Arslan, D
1999)
Rezension von Ekkehard Knörer
Arslan erzählt diese traurige Geschichte ganz konzentriert, ganz
sachlich, verzichtet auf Sentimentalität ebenso wie auf künstliche
Spannung. Ohne seinen Helden je zu überhöhen, verleiht er ihm eine
Würde, die den Betrachter dazu zwingt, ihn Ernst zu nehmen, nicht Mitleid
sondern Mitgefühl zu entwickeln. Und das gerade über die Stilisierung,
den gezielten Formalismus der Inszenierungs- und Erzählweise.
Ein
Lied von Liebe und Tod - Gloomy Sunday (Rolf Schübel, D
1999)
Rezension von Ekkehard Knörer
Ein Melodram, erzählt im Tonfall des
Konstatierens. Ist damit das Thema verfehlt? Auch wenn man sich gelegentlich
etwas weniger understatement wünschen würde, etwas gelöstere
Zügel im Zulassen der Affekte, die Antwort lautet, im ganzen: keineswegs.
Das Ethos des Films besteht in einer seltsam unerbittlichen Nüchternheit,
die nur auf den ersten Blick aufs Konto des Dokumentarfilmers
geht
Nachtgestalten
(Andreas Dresen, D 1999)
Rezension von Ekkehard Knörer
Beinahe ist es schon wieder eine Stärke
des Films, dass es ihm an der Eleganz der Verknüpfungen mangelt, dass
Sentiment ein wenig ungelenk eingefordert wird. Hier zeigt keiner sein
Können oder will mit Virtuosität beeindrucken und seine
Einfallslosigkeit damit übertünchen. Es ist die Verbindung von
Liebe zum Detail und dem Beharren auf den Reizen des Unspektakulären,
Schmutzigen in Sujet wie filmischer Darstellung (Handkamera, grobkörniges
Bild, schlechte Ausleuchtung), die einem diesen Film sympathisch
machen.
Requiem
für eine romantische Frau (Dagmar Knöpfel, D
1999)
Rezension von Ekkehard Knörer
Das 'Requiem für eine romantische Frau'
ist dezidiert keine Liebesgeschichte, ist kein historischer Kostümfilm;
eher die sehr konkrete Analyse einer Idee von Liebe, die historisch situiert
wird, aber nicht historisiert. Der Film rekonstruiert das Modell eines auch
heute noch möglichen Scheiterns von Liebensansprüchen. Er enthält
sich jeden Kommentars. Vielleicht war Auguste nicht zu helfen. Vielleicht
doch.
Angela Schanelec:
Plätze in Städten (1999)
Rezension von Ekkehard Knörer
Der
"Blick" der Kamera (das Visuelle wäre Metapher für die umfassendere
Wahrnehmung, die den Ton, die Physis und die Kamera selbst einschließt)
prallt auf die Figur im Raum. Der Film ist nichts als die Serie von Bildern
der Figur, von Bildern ihrer physischen Präsenz (als Bild- und
Klangerscheinung). In jeder der meisterhaften Einstellungen dieses Kinos
wird und ist die grundsätzliche Frage aufgehoben, aufgelöst in
einem sehr anspruchsvollen Sinn des Wortes: Wie rücke ich die Figur
ins Bild?
23 (Hans-Christian
Schmid, D 1998)
Rezension von Ekkehard Knörer
Gerade wegen seiner Sprödigkeit, der
Unmöglichkeit glatter Identifikationen (vom bloßen Wieder- erkennen
der 80er-Jahre Signifikanten mal abgesehen, denen hier aber, das ist der
Clou, ganz unspektakulär Signifikate der Paranoia unterschoben werden),
der ungewaschenen Fernseh-Bild- Ästhetik ist das ein
außergewöhnlich guter Film, abweisend auf den ersten Blick, emotional
ausgeblutet, aber genau deshalb ein beeindruckendes
Statement..
Aimee
und Jaguar (Max Färberböck, D 1998)
Rezension von Ekkehard Knörer
Das ohne Zweifel akribisch rekonstruierte
Dritte-Reich-Setting wird hin und wieder zu didaktisch in den Vordergrund
gespielt, durch die erklärende Off-Stimme etwa - dennoch hat der in
gewisser Weise anti-opulente Pappkartonrealismus mit der eher kammerspielartigen
Kameraführung seine Reize, vor allem den, gehörigen Abstand von
emotionaler Überwältigungsästhetik zu nehmen in Richtung
fernsehartiger Kleinformatierung.
Solo für Klarinette
(Nico Hoffmann, D 1998)
Rezension von Ekkehard Knörer
Der Film ist ein Thriller, eine milieugenaue
Psychostudie, die Geschichte einer amour fou, nicht zu vergessen Eheprobleme
, Päderasten und psychisch gestörter Sohn. Als Ergebnis eine Melange
aus Schimanski und 'Engelchen', deren Verdaulichkeit trotz der großartig
geheimnisvollen, beängstigend instabilen weiblichen Hauptfigur, die
Corinna Harfouch mit großer erotischer Ausstrahlung spielt, immer wieder
in Frage steht.
Lola rennt (Tom Tykwer, D
1998)
Rezension von Ekkehard Knörer
Das um jeden lokalen Realismus unbesorgte Berlin,
das die rennende Lola da erläuft, ist eigentlich ein guter Anfang,
hübsch die unterschiedlichen Querungen des Gendarmenmarkt- Bodens, von
oben gefilmt (die ersten beiden Male; beim dritten Mal von der Seite). Alles
in allem aber ist die Geschichte zu psychologisch: die Beziehung von Manni
und Lola, des Vaters und seiner untreuen Freundin. Das passt alles einfach
nicht zusammen. Und auch das Nicht-Zusammenpassen passt nicht.
Geschwister/Kardesler (Thomas
Arslan, D 1996)
Rezension von Ekkehard Knörer
Vom Verzicht auf einen klar herausgearbeiteten Plot, auf die
Schürzung eines dramturgisch abzuarbeitenden Knotens sollte man sich
nicht täuschen lassen: Arslans Absicht ist keineswegs ein naiver
Dokumentarismus; sehr bewusst sucht er die Aufhebung in der Form: seine
Kadrierungen sind präzise, keine Kamerabewegung ist überflüssig,
die Dialogie sind zwar der Sprache deutsch-türkischer Jugendlicher genau
abgelauscht: die Lakonik und der Aufbau der einzelnen Szenen jedoch, die
Komik, die sich dem Lakonischen verdankt, entfernen den Film weit von allem
Naturalismus.
Klassiker
R.W.
Fassbinder: Die bitteren Tränen der Petra von Kant
(1971)
Inhalt und Form stehen in Fassbinders Film zueinander im Verhältnis
des Paradoxen: es geht um Gemeinheit, Hörigkeit, emotionale
Brutalität; der Film aber kündet davon nur hinter vielfach lackierter
Oberfläche. Alle Markierungen der Authentizität sind gelöscht,
es bleibt die reine Künstlichkeit: der Konstellationen, der Kompositionen,
der Sprache, der Tränen, der Gefühle, der Ausstattung. Es bleibt
dem Betrachter kein Ausweg in Identifikation oder Mitgefühl, was man
sieht, bedrängt gerade durch die Verweigerung von Nähe und die
gleichzeitige Blockade jeder Distanznahme, sei es durch Komik, sei es durch
Ironie.
Warum läuft Herr R. Amok?
(Regie: Rainer Werner Fassbinder und Michael Fengler, D
1969)
Der
Film konzentriert sich auf wenige Schauplätze: das Büro, das Auto,
die Couch im Wohnzimmer. Letztere wird zum zentralen Ort und Tatort des Films.
Hier wird das Personal in immer neuen Konstellationen versammelt, was sich
nicht ändert, ist die unter der Decke von Small Talk und dem dünnen
Anschein von Freundlichkeit gehaltene Unsicherheit der Personen, die jederzeit
in Gemeinheit umschlagen kann. Dietrich Lohmanns bewegliche Kamera nähert
sich den Figuren, folgt ihnen, aber nie zu dicht, schweift eher wie ein
natürlicher, aber nicht aufdringlicher Blick. Der Gesamteindruck bleibt
der eines uninszenierten Naturalismus, den hinzukriegen keine kleine Kunst
ist
Edgar Reitz: Mahlzeiten
(1967)
Immer wieder bewegt sich Mahlzeiten weg von der reinen
Erzählung, hin zum Diskursiven, Parabelhaften, Über-Individuellen,
verfremdet das Geschehen durch kontrapunktischen Musikeinsatz, durch herbe
Schnitte, durch von den Figuren abschweifende Handkamera, durch den
Off-Kommentar. Die stärkste Szene ist dann jedoch eine des konzentrierten
Draufhaltens: mit grotesker Entschlossenheit begeht Paul Selbstmord, indem
er, auf freiem Feld, die Abgase ins Innere seines Käfers leitet.
weite
Klassiker:
Peter Lorre: Der Verlorene (D 1951)
Rezension von Ekkehard Knörer
Mit was für einer Geschichte haben wir es hier eigentlich zu
tun, das ist die erste Frage. Dass sie bis zum Ende so recht nicht zu beantworten
ist, macht eine der irritierenden Qualitäten des Films aus. Worauf er
hinaus will, ist ihm nicht klar, wird es auch dem Betrachter nicht, aber
genau so sperrt er sich der Botschaft, der klaren Zuteilung von Sinn, der
Einordnung ins Genre, in die Geschichte, auch die des Kinos.
Interview
Benjamin Quabeck im
Gespräch
Von Christoph Elles
Erfolg lässt sich manchmal in Entfernungen messen: München
- Frankfurt - Wolfsburg - Frankfurt - Paris - München. Drei Tage und
2500 Kilometer im Leben von Benjamin Quabeck. "Das ist schon irgendwie die
Hölle", meint der 25-jährige Regisseur, dessen Debütfilm "Nichts
bereuen" am 15. November bundesweit in die Kinos kommt. |